Wer sich bewirbt, möchte, oder besser noch: braucht einen Job. Bei C-Level-Searches wird man dagegen oft angefragt. Der grundsätzliche Unterschied liegt demnach in der Augenhöhe: Wer angefragt wird, hegt allenfalls keine Wechselabsicht. Gerade in einer Zeit, in der der Generation Z vorgeworfen wird, zu viele Ansprüche an ihren Arbeitsplatz zu haben, stelle man sich die Ansprüche jener Talente vor, die sich bereits eine gute Position erarbeitet haben. Dazu kommt: Je eher man sich daran gewöhnt hat, anderen zu sagen, wie ein Prozess zu laufen hat, desto weniger tanzt man nach fremden Pfeifen.
Wir fragen Geschäftsleitungsmitglieder also nicht einfach an, wir verschaffen uns vielmehr die Ehre eines Gesprächs. Diese Situation gilt es in Kauf zu nehmen, um sie sofort dahin gehend umzudrehen, als wir uns nicht von Menschen, die genau wissen, wie man sich selbst am besten verkauft, vor den Karren spannen lassen möchten. Vielmehr haben wir ja das Mandat, herauszufinden, welches Pferd sich im Stall des Kunden am besten macht. Dazu kann man Tools und Prozesse nutzen – es geht aber nichts über umfassend urteilsfähige Menschen.
Denn im Gegensatz zu einer Suche nach einer Fachkraft spielen von Weitem ersichtliche Faktoren gerade zu Beginn einer C-Level-Search eher eine untergeordnete Rolle. Relevante Führungserfahrung hat, wer ein Team geführt hat, und nicht, wer eine grosse Zahl in sein CV schreibt. Einen Exit hat auch gemacht, wer eine Firma an die Wand gefahren hat. Fragen, die sich oft nur im Gespräch beantworten lassen. Daher sind für C-Level-Searches namentlich Empfehlungen über Netzwerke viel wichtiger als etwa bei der Frage, ob jemand diese oder jene Programmiersprache beherrscht.
Verantwortung, Erfahrung, Zeitverhältnisse: Auch und gerade für Teppichetagen gelten spezifische Umgangsformen, und wer diese lebt, besteht im umkämpften Markt der Personaldienstleister. Dokumentation, Storylines, Einwandbehandlung: Planung und Improvisation müssen gelingen, wenn man einen Verwaltungsrat auf Spur bringen möchte. Und alles Zwischenmenschliche, die ganze Empathie, das Vertrauen und die Erfahrung aller Beteiligten sind nichts wert, solange man die eigene Story nicht mit Zahlen belegt.
Die Positionen sind wichtiger, die Menschen sind sensibler, anspruchsvoller, oft auch intelligenter. Speed ist zentral, die Agenda des Topmanagements meist voll. Es gilt also, Vollgas zu geben. Aber mit Vorsicht. Es gilt, konsequent zu sein. Aber auch agil. Es gilt, jeden Stein umzudrehen. Aber nicht darüber zu sprechen. Vier oder sechs Augen sollten daher in jeden Prozessschritt involviert sein, denn ohne latentes Sparring ist ein guter Job am Kunden unmöglich.
Und warum suchen sich die Unternehmen Ihre Chefinnen denn nicht einfach selbst? Startups schalten gerne einmal eine Anzeige für einen neuen CEO – und verstehen nicht, was das Problem ist, wenn sich doch die halbe Welt bewirbt. Nun: (Zu) viele Bewerbungen werden meist zum grösseren Problem als zu wenige, denn gerade eine Absage, zumal an einen Menschen, der sich eine Geschäftsführung zutraut, will wohlformuliert und richtig übermittelt sein.
Die Startup Welt leidet an rasch gestiegenen Zinsen und unsicheren Aussichten, weshalb das Investorengeld nicht so locker sitzt wie auch schon. Gleichzeitig brummt der Motor zumindest hierzulande, sodass auch KMU auf ein Rekordjahr zusteuern und in der GL fleissig den Generationenwechsel vollziehen. Während die letzten Boomer langsam abdanken, ist das Übernehmen von allzu viel Verantwortung für die Generation Y längst nicht mehr unverzichtbar. Dazu kommt ein technologischer Fortschritt, der uns unsere viel besungene VUKAWelt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) beschert. Führung war zwar schon immer anspruchsvoll, ist es heute aber erst recht.
Nicht nur aufseiten von uns Headhuntern sind Soft Skills mehr denn je gefragt. Auch die C-Levels von morgen sollen Empathie Bomben sein. Zusätzlich zu den technischen Fähigkeiten wünschen sich unsere Mandanten echte Leader – oder gleich explizit echte Leaderinnen. Das fängt schon bei der Job Description an, die die richtigen Talente ansprechen muss. Zum Beispiel fühlen sich Männer angesprochen, wenn sie rund die Hälfte im Inserat als auf ihr Profil passend bezeichnen. Frauen brauchen eine Übereinstimmung von bis zu 80%.
Chatbots. Wer kennt sie nicht. Die Entwicklung von ersten Versuchs-Bots hinzu Lösungen wie ChatGPT markiert 2023 vielleicht als das Jahr, in dem es richtig losging. Als ich neulich eine künstlich generierte Stimme Schweizerdeutsch sprechen gehört habe, musste ich einsehen: Die Zeit ist da. Wir werden in unserem Denken und Handeln täglich von derart viel Technologie gelenkt, dass es unabdingbar ist, mit den neuesten Technologien zu arbeiten, um nur schon mittelfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Diesen Umstand erachte ich als allgemeingültig und nicht nur als Thema für einen Dienstleister wie uns, die wir aus dem Techbereich kommen und uns eine entsprechende Führerschaft ohnehin auf die Fahne schreiben.
Hybride Belegschaften sind heute fast überall Realität. Plötzlich ist die CFO eines KMU mit Problemen konfrontiert, die sie sonst nur von ihrer Kollegin aus dem Grosskonzern kennt: verschiedene Zeitzonen, andere Kulturen, Führung ohne persönliche Präsenz und so weiter. Vorstellen kann man sich das gut, und wer während der Lockdowns Menschen geführt hat, weiss, dass das erstaunlich lange erstaunlich gut gehen kann. Aber: Es geht nicht ewig gut. Es braucht neue Ansätze – und neue Erwartungshaltungen.
Wir haben 2023 eine voll kuratierte Frauen Community lanciert, die mitunter helfen soll, den Wunsch vieler Kunden rascher zu erfüllen: mehr Diversität. Dazugehören mehr Frauen in Führungspositionen, und dazu müssen gewisse Strukturen neu gedacht werden. Zum Beispiel die Art und Weise, wie wir uns vernetzen.Dazu bieten wir einen geschlechterneutralen Sourcing-Prozess. Damit fängt die Herausforderung aber erst so richtig an, denn die signifikante Unterrepräsentanz von Frauen in den oberen Etagen führt bei C-Level-Searches unweigerlich dazu, dass, wer diverse Profile finden will, gezielt nach ihnen suchen muss. Mit anderen Worten bieten sich Standardprozesse aufgrund der inhärenten Überrepräsentation an Männern selbst dann nur begrenzt an, wenn man alles anonymisiert.
C-Levels müssen in der Lage sein, sich und ihre Teams erfolgreich durch die zuvor erwähnte VUKA-Welt zu navigieren. Dass dabei gerade der Umgang mit diversen Teams beherrscht sein will, mag ein Aspekt sein. Frustrationstoleranz, Augenhöhe, aber auch strategische Gelassenheit und der Mut, im richtigen Moment das Falsche zu sagen und damit dennoch niemanden zu verlieren, gehören zu einem agilen Mindset. Solche Ansprüche schlagen in unsere Interview-Leitfäden durch, die bloss zu einem Teil strukturiert sind, denn: Wenn Ihr nächstes GL-Mitglied agil sein soll, sollte Ihr Dienstleister agiler sein.